Sirenen der Ökonomie

 

Veranstaltungsbericht Abschlusspodium

Suchen und finden - ohne Mephisto

von Wolfgang Bey

Politik kann suchen, wenn sie denn will, Politik kann finden, Lösungen, Varianten, Irrungen und Wirrungen. In der Podiumsdiskussion zur Hamburger Konferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung "Sirenen der Ökonomie" ging es aber um das "Erfinden einer anderen Politik". So lautete mindestes das Thema der abschließenden Diskussion nach anderthalb Tagen Meinungen, Disputen, Darstellungen und anderen Wortversammlungen.

Susanne Uhl vom Regenbogen Hamburg fiel die Rolle als Moderatorin nicht schwer, hatte sie doch im Podium eine Partnerin und drei Partner, die sich in grundlegenden Meinungen nicht unterschieden. Mephisto wollte niemand sein.

Horst Schmitthenner, im Geschäftsführenden Vorstand der mitgliederstarken IG Metall, sprach über den Ansatz der Initiative Politikwechsel, wo er aktiv wirkt. Die Initiative will Projekte, Netze, Aktionen vor Ort motivieren, Parteien nicht die Politik zu überlassen. Er sehe die Gefahr, dass die Unzufriedenheit mit Rot/Grün sich in noch stärkerer Wahlenthaltung zeigen kann.

Angelika Gramkow, Vorsitzende der PDS-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern, plädierte dafür, dass sich Parteien an der Suche nach einer anderen Politik beteiligen und dass ihnen diese Option nicht abgesprochen werden darf. Es gibt zwar enge, aber doch vorhandene Spielräume in der Landespolitik, die die PDS in Mecklenburg-Vorpommern zu nutzen versucht. Die auf der Konferenz angesprochene Gefahr für die PDS, sich wie die Grünen zu entwickeln, sehe sie auch. Die Kunst sei, das Spannungsfeld im Verhältnis Land - Bund genau anzusehen und auszunutzen. Das es hier Möglichkeiten gebe, werde zum Beispiel an der Kita-Politik im Lande, am Einsatz von Jugendschulsozialarbeitern oder an der Durchsetzung des zweigliedrigen Schulsystems in Mecklenburg-Vorpommern deutlich.

Zur Erfolgsgeschichte von ATTAC wurde Horst Wahl befragt. Zunächst wies er die These zurück, alle Parteien würden sich zu ATTAC bekennen. Der Block CDU/CSU/FDP beziehe sich nicht positiv auf diese Bewegung. Die SPD gehe na ja mit, die PDS halte sich zurück, was er begrüße. Keine Partei sollte ATTAC vereinnahmen wollen. Überhaupt gehe es um gemeinsame Aktionen, nicht um Ausgrenzung. IG-Metall-Vorständler Schmitthenner verwies auf die Position seiner Gewerkschaft: Mitarbeit in lokalen Organisationen von ATTAC, Bereitstellen von IGM-Infrastruktur vor Ort. Und Peter Wahl, auf das kurzfristige Wachstum von ATTAC angesprochen, meinte, ATTAC sei der "Gustav Gans der sozialen Bewegung", "politisch sexy", national und international sei ein günstiger Zeitpunkt für die Entwicklung gegeben, dazu kommen Faktoren wie hohe Medienpräsenz, Aufgeschlossenheit liberaler Journalisten, ein erfreulich hoher Anteil junger Leute. Die inhaltliche Substand von ATTAC, so Wahl, bringe gegenwärtig so viel Neues nicht. Die Bandbreite von ATTAC sei sehr ambivalent. Die Offenheit sei Programm und zur Zeit eine Erfolgsbedingung, aber auf längere Sicht könne diese Vielfalt auch zum Sprengsatz werden.

Thomas Gebauer von "Medico International" sah sich nicht im Gegensatz zu ATTAC. Seine Nicht-Regierungs-Organisation ist Mitglied seit der ATTAC-Gründung. Gebauer verwies darauf, dass Politik im nationalen Rahmen nicht mehr möglich ist, ebenso könne Vernetzung sinnvoll nur im globalen Kontext sein. ATTAC sei gegenwärtig sehr auf die ökonomische Komponente des Kapitalismus ausgerichtet, das sei aber zu einseitig. Der moderne Kapitalismus umfasse alle Seiten des Lebens, das muss eine soziale Bewegung berücksichtigen. Die wichtigen Entscheidungen fallen ohnehin nicht mehr in den Parlamenten, sondern in informellen Gremien, auch mit der Steuerung der Medien.

Seine Organisation praktiziere zum Beispiel, wie neben den notwendigen Schritten zur Lösung des Israel-Palästina-Konfliktes konkrete Projekte angegangen werden, so das Zusammenwirken von israelischen und palästinensischen Ärzten.

Gute Ideen, die sich im nationalen Rahmen bewährt haben, müssten auch international angewendet werden, beispielsweise das Solidarprinzip: reichere Länder gleichen die Defizite im Gesundheitswesen ärmerer Länder nach diesem Prinzip aus.

Horst Schmitthenner verwies darauf, dass sich die Gewerkschaften international im Rückstand befinden, aber ein genauerer Blick sei auch hier hilfreich. Gewerkschaften setzen sich zum Beispiel ein für die Einführung internationaler Standards. Eine globale Vernetzung sozialer Bewegungen sei sicher sinnvoll, aber die nationale Ebene solle trotzdem nicht vernachlässigt werden.

Auf möglichen Demokratieverlust wurde abgehoben, wenn Diskussionen in Expertenkommissionen verlagert werden. Intellektuelle werden in sozialen Bewegungen gebraucht, als wichtiger Teil dieser Bewegungen.

Stichwort Intellektuelle: die nächste Konferenz in der Reihe der Rosa-Luxemburg-Stiftung befasst sich bekanntlich mit dem Krieg und den Intellektuellen. Kriege müssen nicht erfunden werden, aber der Kampf gegen Krieg braucht immer wieder neues Engagement und immer wieder neue Ideen. In diesem Sinne brachte das Podiumsgespräch Denkanregungen, Fragen und manche Antworten. .

 

 

 

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Thema:
"Schaltjahr 2002". Rosa-Luxemburg-Stiftung auf Tour


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Wolfgang Bey
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Termin:
21./22. Juni 2002

Ort:
Uni Hamburg Westflügel
Edmund-Siemers-Allee 1
Hamburg

Lageplan

Veranstalter:

  • Rosa-Luxemburg-Stiftung
    in Kooperation mit
  • Rosa-Luxemburg-Bildungswerk Hamburg
  • Regenbogen - für eine neue Linke
  • Zeitschrift Sozialismus
Anmeldung
bitte schriftlich, per Fax oder als E-Mail: Rosa-Luxemburg-Stiftung,
z.Hd. Christian Brütt,
Franz-Mehring-Platz 1,
10243 Berlin,
Tel. 030-2978 1130
Fax: 030/29 78 11 84;
E-mail: Ch. Brütt

RLB Hamburg,
Tel. 0179- 2732844;
E-mail:info@rosa-luxemburg-bildungswerk.de