Sirenen der Ökonomie

 

Veranstaltungsbericht

Prof. Jörg Huffschmid zum Thema

"Ökonomischer Imperialismus"

An der Eröffnungsveranstaltung im Vorlesungssaal ESA 1 der Hamburger Universität nahmen insgesamt 72 Personen teil, davon 29 Frauen (40%).

Nach einer Begrüßung und einleitenden Gedanken im Namen der Rosa-Luxemburg-Stiftung durch Dr. Rainer Rilling, entwickelte Prof. Jörg Huffschmid seine Sichtweise auf das Thema "Ökonomischer Imperialismus". Im ersten Teil des Referates stellte er in Grundzügen die Leninsche Imperialismustheorie dar und kam zu der Feststellung, dass diese ihren Merkmalen nach zwar heute zutreffe, sich jedoch in der Prognose eines "letzten Stadiums des Kapitalismus" überlebt hat. In 12 Thesen spannte Prof. Huffschmid dann den Bogen von der Analyse bis zu Alternativen des gegenwärtigen Kapitalismus.

Gesellschaftliche Entwicklung ist, so die These von Prof. Huffschmid, Ergebnis eines sich ständig verändernden Kräfteverhältnissen zwischen der in sich widersprüchlichen und zerstörerischen ökonomischen Logik und einer politischen Logik der Gegenwehr und des Ausgleichs. Insofern kann nicht von einem Primat der Ökonomie oder der Politik die Rede sein und aus dieser Sicht ist ökonomische Imperialismus zugleich auch immer ein politischer. Vor diesem Hintergrund folgte ein Abriss der Entwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg, mit dem Prof. Huffschmid dieses sensible Kräfteverhältnis zwischen Ökonomie und Politik herausarbeitete - von der Phase des "Aufbruchs" mit Vollbeschäftigung und starker internationaler Kooperation, die politische entschieden und gesetzlich abgesichert wurden zur Phase der "Erschöpfung" und stagnierendem Wachstum Mitte der 70er Jahre, die maßgeblich ökonomischen Widersprüchen geschuldet ist. Die Frage stand Ende der 70er, ob der Krise mit weiterhin politischen Regelungen oder aber eher durch Rücknahme von Beschränkungen für die Ökonomie beigekommen werden kann. Prof. Huffschmid konstatierte an dieser Stelle ein historisches Versagen der Arbeiterbewegung und der "Linken", weil es keine relevanten Kräfte für eine alternative politische Strategie gab. Die dann folgende beschleunigte Rücknahme von Regulierungen spiegelt sich bis heute in der sogenannten Alternativlosigkeit" der Politik wieder. Ein finanzgetriebenes Akkumulationsregime setzte sich durch und der "Shareholder-Kapitalismus" nach amerikanischem Vorbild begann sich als globales Dominanzmuster durchzusetzen. Im Ergebnis destabilisieren sich ganze Volkswirtschaften, der Standortwettlauf wird zunehmend zum Hebel gegen ArbeitnehmerInneninteressen und dient als "Exit"-Option gegen Regierungen, Umweltzerstörung und wachsenden Wohlstandsunterschiede zwischen Nord und Süd sowie Arm und Reich nehmen zu. Prof. Huffschmid stellte in einer 6. These dann die Frage, ob wir nicht bereits in einer neuen Phase der "Barbarei" angekommen sind. Die Konkurrenz zwischen den Zentren USA und Europa wird aggressiver, genauso die Gegenbewegungen in Form von Fundamentalismus, Extremismus und Nationalismus. Vor dem ökonomischen Hintergrund absehbarer Grenzen der finanzgetriebenen Entwicklung führt dies zu Einschränkung bürgerlicher Freiheiten und birgt erhöhte Kriegsgefahren. Der Krieg wird in dieser Phase zu einem immer relevanter und ungezähmteren Mittel der Politik. Dies wurde in einer genaueren Betrachtung des Verhältnisses zwischen den USA und Europa genauer begründet. Der Vorsprung der USA und die damit verbundene Vorherrschaft in der Welt wird geringer. Mit Europa konstituiert sich eine "Festung", die nicht als Alternative zur USA, sondern mit dem Ziel errichtet wird, ebenbürtiger und künftig überlegener Konkurrent zu sein. Konstituierendes Moment ist dabei allerdings nicht die "demokratische Sozialstaatlichkeit" sondern zunehmend eine gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik. In der Konsequenz stellt Prof. Huffschmid damit das Denkmodell zweier "Blöcke", die miteinander gegen den Süden aber in erbitterter Konkurrenz gegeneinander agieren gegen das "Empire"-Modell. Dies war in der anschließenden Debatte mit dem Publikum ein wichtiger Diskussionspunkt, vor allem weil die Analyse der "Blöcke" oder des "Empire" unterschiedlich Handlungsoptionen und Herausforderungen beinhaltet. Dabei konstatierte der Referent, dass der Weg zu einem "Eurokapitalismus", der als relativ einheitlicher und hegemoniefähiger Block agieren kann, noch lang ist.

Prof. Huffschmid konstatiert seit Mitte der 90er Jahre auf Grund der zunehmenden Polarisierung in der Welt einen wachsenden und zum Teil global vernetzten Widerstand, von den ZapatistInnen bis zu Attac. Ziel müsse es sein, jegliche Form von Krieg und militärischer Gewalt zu verhindern und die Ursachen von Terror und Gewalt zu bekämpfen. Das hieße, in den sozialen Kämpfen der Friedenspolitik wieder ein größeres Gewicht beizumessen und eine stärkere Binnenorientierung des Nordens einzufordern. Denn es ist maßgeblich der Norden, welcher seine inneren Widersprüche nach "außen verlagert" und damit Ungleichheit und Kriegsgefahren schürt. Deshalb liegt im Norden selbst auch ein großes Lösungspotenzial. Prof. Huffschmid sieht solche politischen Möglichkeiten vor allem in einer veränderten Sozial- und Wirtschaftspolitik, die auf Umverteilung von Vermögen, eine an Mehreinnahmen orientierte Steuerpolitik zur Finanzierung öffentlicher Güter und eine Gegenwehr gegen Privatisierungen im Bildungs- und Gesundheitsbereich orientiert.

Neben der Debatte um "Empire" versus "Blöcke" waren die kurz angerissenen Alternativen Gegenstand intensiverer Diskussion.

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Thema:
"Schaltjahr 2002". Rosa-Luxemburg-Stiftung auf Tour


Veranstaltungsbericht
Prof. Jörg Huffschmid zum Thema "Ökonomischer Imperialismus"


Termin:
21./22. Juni 2002

Ort:
Uni Hamburg Westflügel
Edmund-Siemers-Allee 1
Hamburg

Lageplan

Veranstalter:

  • Rosa-Luxemburg-Stiftung
    in Kooperation mit
  • Rosa-Luxemburg-Bildungswerk Hamburg
  • Regenbogen - für eine neue Linke
  • Zeitschrift Sozialismus
Anmeldung
bitte schriftlich, per Fax oder als E-Mail: Rosa-Luxemburg-Stiftung,
z.Hd. Christian Brütt,
Franz-Mehring-Platz 1,
10243 Berlin,
Tel. 030-2978 1130
Fax: 030/29 78 11 84;
E-mail: Ch. Brütt

RLB Hamburg,
Tel. 0179- 2732844;
E-mail:info@rosa-luxemburg-bildungswerk.de