Veranstaltungsreihe Krise und Kritik in Kooperation mit der Initiative kritische Gesellschaftswissenschaft
Gerhard Stapelfeldt
Zum Verhältnis von Krise und Kritik
Im 19. Jahrhundert galten Krisen im sozialdemokratischen, anarchistischen und kommunistischen Milieu als Angelpunkte
gesellschaftlich-fundamentaler Umwälzungen. Geriet die reibungslose Kapitalverwertung ins Stocken – so dachte man – würden die Menschen die gesellschaftlichen Verhältnisse als schlechte erkennen und sich umgehend an
ihre revolutionäre Abschaffung machen. Die Phantasie, den taumelnden Kapitalismus freudestrahlend die Treppe herunter zu stoßen, hat sich mittlerweile jedoch gründlich erledigt. Spätestens mit dem
Nationalsozialismus dämmerte der Linken, dass die Verarmung und Verelendung der Massen in der Krise nicht ohne weiteres emanzipatorische Gesellschaftskritik hervorbringt. Statt der Gründung des »Vereins freier
Menschen«, fanden gerade die Deutschen in der Krise als Volksgemeinschaft im Vernichtungsrausch zueinander. Mit
Gerhard Stapelfeldt wollen wir diskutieren, wie es sich mit der Konstellation von Krise, Kritik und Revolution heute verhält. Diese theoretisch zu klärende Frage wird beantworten, ob die Linke derzeit tatsächlich
optimistisch auf Zulauf hoffen darf.
Prof. Dr. Gerhard Stapelfeldt, Universität Hamburg
Do. 15.01.09 | 19:30 Uhr Gewerkschafts haus | Movimento | Besenbinderhof 57a
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Martin Dornis
Im Zeichen der Krise
Massenwahn und gewaltförmige Vergleichung in der Warengesellschaft: Die aktuelle
Finanzkrise wird entweder hinsichtlich ihrer ideologischen Verarbeitung oder anhand der ökonomischen »Fakten« behandelt. Vor dem Hintergrund der Marxschen Wert- und Fetischkritik soll diese, auch in den meisten
linkstheoretischen Analysen enthaltene Aufspaltung, in dem Vortrag von Martin Dornis problematisiert werden. Der Kapitalismus trage – so die These des Referenten – sowohl das Moment der Krise, als auch das der
Ideologie, die sich in der Krise bis zum Massenmord zuspitzen kann, von Anbeginn in sich. Warum nicht der Kommunismus, sondern die nationalsozialistische mörderische Krisenlösung in der Logik der Warengesellschaft
angelegt ist, soll begründet werden. Dornis wendet sich damit gegen jede geschichtsdeterministische oder sonst wie hoffnungsfrohe Vorstellung vom Sprung aus der Krise in die befreite Gesellschaft und knüpft damit
an die Überlegungen von Gerhard Stapelfeldt (Veranstaltung am 15.1.) an.
Martin Dornis, Leipzig
Do. 22.01.09 | 19:30 Uhr Markthof | Marktstraße 102
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Justin Monday
Der Staat in der Krise
Von den Beschränkungen und Eigenarten des aktuellen Krisenbewusstseins: Wenn den BürgerInnen
in der Krise das Bewusstsein vom historischen Charakter ihres Ein und Alles – des Kapitalverhältnisses – droht, erscheint ihnen die Ewigkeit des nationalen Staates als Rettung. In den Absichten mögen Unterschiede
bestehen zwischen LinkskeynesianerInnen, die die Krise vermittels sozialstaatlicher Umverteilung beheben wollen, und denjenigen, denen die Produktion von Gebrauchswerten ganz unvermittelt nur Mittel zum Zweck der
Kapitalakkumulation ist. Bei allen Unterschieden bestehen aber unübersehbare Gemeinsamkeiten im Krisenbewußtsein, d.h. in den fetischistischen Vorstellungen vom Charakter des gesellschaftlichen Ganzen. Vor Augen
steht den RepräsentantInnen des herrschenden Elends dabei vor allem dessen Kontrollier- und Steuerbarkeit durch den Staat Handele dieser nur richtig, sei er in der Lage, die Krise zu meistern. In dem Vortrag soll
dagegen erörtert werden, inwieweit die auf den autoritären Staat zurückgehende Einheit von Staat und Gesellschaft weniger eine Entwicklungsmöglichkeit der aktuellen Zustände ist, sondern deren Voraussetzung, die,
als Motor vergangener Krisenlösung, inzwischen ihrerseits in der Krise ist.
Justin Monday, Hamburg
Di. 03.02.09 | 19:30 Uhr Golden Pudel Salon | Am St. Pauli Fischmarkt 27
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